Freitag, 21. Januar 2011

ES WAR EINMAL

KÖNIG PRINZ und DIENER
Es war einmal ein glückliches Land mit einem noch glücklicheren König, weil sein Sohn, der Erbprinz, der klügste und beste aller Prinzen aller Länder, die im Reich der Märchen existierten, war. Deswegen hatte der König ihn zum Regenten ernannt und, unter seiner Herrschaft, erfreuten sich die Untertanen eines unvergleichlichen Friedens und eines wachsenden Wohlstands, wie es vorher niemals etwas Vergleichbares gegeben hatte. Und trotzdem, leider...
Leider erkrankte der Prinz eines Tages an einer seltsamen Krankheit, auch wenn sie damals häufig genug vorkam und vielleicht auch heute nicht allzu selten ist. Anfangs bemerkte es niemand; der Prinz war nur etwas düsterer Stimmung geworden und neigte zum Pessimismus, aber so mancher dachte momentan, dass all dies von der Sorge um die Staatsgeschäfte herrührte. Dann wurde er mürrisch, er ärgerte sich wegen nichts: er bestrafte einige Funktionäre zu streng und stritt auch mit manchem Angestellten, der weder viel, noch wenig damit zu tun hatte. Ein anderes Mal verprügelte er aufs Schlimmste auch den treuesten Diener, und inzwischen gab es bei Hof niemanden mehr, der nicht Recht damit gehabt hätte sich über ihn zu beklagen. Eines Tages dann nahm er ein Schwert in die Hand und verfolgte den Ersten Minister, der eher wegen dem Schrecken, als wegen der Verletzung zu sterben drohte. 
Kurz und gut, alle verstanden schließlich, dass der Prinz verrückt geworden war, so verrückt, dass man ihn eiligst ins Krankenhaus bringen musste.tellt euch den König vor, dem alle vorwarfen, seinem Sohn die Sorgen aufgebürdet zu haben... Stellt euch den Ersten Minister vor, der wiederum nicht so tot war, wenn er sich so beleidigt zeigte... 
Stellt euch die anderen, zu Unrecht beschuldigten Minister vor..., die misshandelten Diener..., die mit Bußgeld belegten Angestellten... 
Alle hatten ihre berechtigten Beschwerden, alle waren empört.
So kam der Erste Minister zum König und sagte: „Lass mir Gerechtigkeit zuteil werden!” Und der König verstand, dass er Recht hatte. Dann kamen die anderen Minister, einer nach dem anderen, immer um Gerechtigkeit zu fordern, dann kamen die Funktionäre, die Angestellten, die Diener; alle um ihren Teil einzufordern und der König verstand immer, dass er allen Genugtuung geben musste. Und doch verstand keiner, weder die Minister, noch die Funktionäre, noch alle anderen, den Schmerz des Königs. So saß er mit geneigtem Haupt auf dem Thron und mit der Krone in den Händen schien auch diese ihm zu viel zu wiegen. 
Und, nachdem er die Augen gehoben hatte, nach einem Seufzer, sah er den Diener, der vom Prinzen so verprügelt worden war und er wandte sich an ihn und sagte: „Und du, verlangst du nicht, dass ich dir Gerechtigkeit zuteil werden lasse?” Aber der Diener antwortete ihm: „Anstatt, dass ich Gerechtigkeit bekomme, was würde ich zahlen, um dem Prinzen seine Gesundheit zurückzugeben!” 
Bei diesen Worten öffnete sich das Herz des Königs für die Hoffnung und den Trost, weil er fühlte, dass jener Diener seinen Schmerz verstanden hatte. So hatte er ihn von da an immer in seiner Nähe. Wenn er ein Staatsproblem hatte, fragte er nach seiner Meinung, wenn er einen Auftrag zu vergeben hatte, gab er ihn gern ihm, wenn er mit jemandem zu sprechen hatte, ließ er ihn zuerst mit ihm sprechen. 
Weil jener Diener eine einfache Person war, aber seinen König liebte. 
Genug! In kurzer Zeit wurde der Diener, der alles tat, worum der König ihn bat, in der Tat der Erste Minister, Heerführer, Richter über die anderen Richter, und bei Hof tat man nichts ohne ihn, noch existierte im ganzen Land jemand, der wichtiger war als er. 
Und die Pagen, die Butler, die Diener, die Angestellten, die Funktionäre, die Minister und alle fragten sich: „Warum hat der König als Ersten Minister einen Diener?” Aber der König sagte: „Er hat meinen Schmerz verstanden; sicherlich wird er auch die Bedürfnisse meiner Leute verstehen!” 
Und tatsächlich gab es keine besser regierten und glücklicheren Untertanen als jene und es gab kein reicheres und glücklicheres Land als jenes und außerdem, da das Glück nie allein kommt, wurde kurz darauf auch der Prinz gesund, und so wird es nie einen froheren und glücklicheren König als jenen geben, tatsächlich hatte er einen gesunden Prinzen, eine gute Regierung, zufriedene Untertanen, aber vor allem hatte er einen Freund gefunden, jenen Diener, der seine eigenen Rechte zu vergessen wusste, um die von dem zu verstehen, der von Anklagen und vom Schmerz erdrückt wurde.
Und so ist auch heutzutage wer einen Freund findet, der ihn versteht, wie ein glücklicher König, aber noch glücklicher ist der, der sich selbst vergessen kann, um die anderen zu verstehen. Wenn er nicht schon der wichtigste Mann des Landes ist, ist er bereits auf dem besten Weg es wirklich zu werden.

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