Montag, 14. Juni 2010

Die Ameise vor Gericht (märchen)


Gewiss wisst ihr, dass die Ameisen immer zusammen bleiben und schon von klein auf verirren sich nie, oder verletzen jene Ordnung, die sie zusammen hält.
Also...
Es war einmal eine Ameise, die sich auf den ersten Blick so verhielt dann, aber anderseits nach dem eigenen Kopf handelte und deswegen war sie ein wirkliches Sorgenkind für ihre Mutter. Es war nicht so, dass sie nicht folgte, aber sie benahm sich anders um damit den Vorwand zu haben, die anderen Schwesterlein zu kommandieren. Es war nicht so, dass sie sich stritt, aber sie wollte immer Recht haben. Es war nicht so, dass sie nicht lernen wollte, aber sie sagte immer, dass sie mehr als die anderen wusste. Die Mutter litt etwas darunter und verzieh ihr ein wenig. Die Ameise wuchs und wuchs heran, wie sie war, mit all ihren Fehlern. Es war nicht so, dass sie als Erwachsene stahl, aber sie gab niemals etwas ohne damit unverschämt anzugeben. Es war nicht so, dass sie von den anderen schlecht sprach um sie zu schädigen. Sie tat es nur um eine Gelegenheit zu haben, gut von sich selbst zu sprechen. Sie schlug nicht mit Fäusten auf jemanden ein (sie drosch niemanden), aber sie belästigte alle mit unzähligen Sorgen aus lauter Angst, ihre Gesundheit zu verlieren. Aus diesen und anderen ähnlichen Gründe war sie eher unbeliebt als schuldig und dies solange bis sie beschuldigt wurde, nur weil sie unbeliebt war und deswegen letzten Endes vor Gericht gezerrt wurde. Nun ihr wisst es nicht, deshalb sage ich es euch: die Richter der Ameisen sind sehr streng und die Ameise wurde streng verurteilt.
Das Urteil lautete etwa so: “Wir verurteilen Dich, obwohl Du nicht gestohlen, auch nicht getötet, auch die Gesetze nicht verletzt hast. Wir halten Dich für schuldig, weil Du mit Deinem Verhalten die Einheit der Ameisenfamilie zerstört hast, denn diese Einheit ist eben für alle Ameisen das höchste Gut”.

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